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Fraktale per Hand berechnen


Ein Fraktal entsteht, indem ein Computer eine Formel für verschiedene Werte immer wieder berechnet. Für die meisten Fraktale benötigt mein Computer keine Minute, für manche einige Minuten, und einige ganz harte Fälle dauern schon mal einige Stunden. Wie lange bräuchte ein Mensch, der sich in den Kopf setzen würde, ein typisches Fraktal per Hand zu berechnen?

Damit das Fraktal mit all seinen Details richtig zur Geltung kommt, benötigen wir eine hohe Auflösung. Ich benutze meist 1280 x 1024 Bildpunkte – ein solches Fraktal besteht also aus etwa 1280 mal 1024, also einer Million Bildpunkten.

Pro Bildpunkt muß eine gewisse Anzahl von Iterationen durchgeführt werden; sagen wir, daß für ein Bild pro Bildpunkt durchschnittlich hundert Iterationen durchgeführt werden. In Anbetracht der Tatsache, daß gerade die interessantesten Fraktale oft mehrere tausend Iterationen benötigen, ist dies noch ein recht niedriger Schätzwert.

Jede Iteration besteht bei der einfachsten fraktalen Formel, nämlich z = z2 + c für das klassische Apfelmännchen, aus einer Multiplikation und einer Addition. Diese Operationen werden mit komplexen Zahlen durchgeführt. Die Multiplikation komplexer Zahlen entspricht vier reellen ("normalen") Multiplikationen und zwei reellen Additionen; die Addition komplexer Zahlen entspricht zwei reellen Additionen.

Diese Rechnungen werden im Computer mit 32-Bit-Zahlen durchgeführt, also 32-stelligen binären Zahlen, was etwa 10-stelligen Dezimalzahlen entspricht. Beim Apfelmännchen müssen also pro Iteration vier Multiplikationen und vier Additionen von 10-stelligen reellen Zahlen durchgeführt werden. Werden diese mit Stift und Papier bewältigt, so können wir gut und gerne fünf Minuten pro Multiplikation und eine Minute pro Addition veranschlagen. Für jede Iteration würden wir also eine knappe halbe Stunde rechnen müssen.

Fassen wir zusammen: Für ein Bild müssen wir etwa 1.000.000 Bildpunkte mit jeweils durchschnittlich 100 Iterationen berechnen, von denen jede einzelne 30 Minuten dauert. Insgesamt müßten wir also schätzungsweise 1.000.000 × 100 × 30 Minuten = 3 Milliarden Minuten lang rechnen!

Da diese Zahl unser Vorstellungsvermögen sprengt, folgendes Beispiel: Wenn wir jahrelang 12 Stunden täglich damit verbringen würden, zehnstellige Additionen und Multiplikationen durchzuführen, ohne uns jemals einen Tag Urlaub zu gönnen (absurder Gedanke!), selbst dann könnten wir gerade mal den Bruchteil eines Fraktals berechnen (ungefähr gerade mal 60 × 70 Bildpunkte), denn für das ganze Bild würden wir so über 11.000 Jahre rechnen müssen! Vor 11.000 Jahren begannen die Menschen, seßhaft zu werden, vor 5.000 Jahren begannen die Sumerer und Ägypter, auch mit nichtganzzahligen Zahlen zu rechnen, und vor gerade mal 400 Jahren lernte man an der Universität, die heute aus der Schule bekannten Rechenverfahren zu benutzen.

Dies veranschaulicht die unvorstellbar ungeheure Rechenkraft eines Computers. Man kann wohl ungestraft sagen, daß die Menschheit ohne Computer niemals diese Bilder zu sehen bekommen hätte.


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